Excel ist überall. Nahezu jedes Unternehmen nutzt es. Aber was macht diese Software so beliebt und wann sollte man über andere Lösungen nachdenken? In diesem Artikel teilen wir unsere wichtigsten Excel Gedanken mit Ihnen und zeigen, wie man Verbesserungspotenziale entdeckt und bewertet.
Ein erster Gedanke dazu: Wo nutzen wir Excel?
Wo lassen sich in meinem Unternehmen oder meiner Abteilung die meisten Verbesserungspotenziale durch Digitalisierung und neue Technologien entdecken? Dazu gibt es ein simples Mental Model. Man schaut sich die eigenen Prozesse an und stellt sich folgende Frage: In welchen Prozessen nutzen wir besonders viel Excel?
Die Macht von Excel
Bei Anwendern und Management sorgt Excel nicht selten für Frust. Trotzdem funktioniert kaum ein Unternehmen heutzutage ohne Excel. Excel ist zurecht die erfolgreichste Business Software der Welt. Was aber macht Excel so einflussreich?
Anwender verbringen viel Zeit mit der Software. Sie suchen sich notwendige Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammen und führen diese in Excel zusammen. Anschließend erledigen sie ihre Aufgaben, sei es für Budgetplanung, Kampagnen Tracking oder CRM. Es werden viele Daten gesucht, gesammelt, kopiert und angepasst. Dabei möchten viele Anwender lieber mehr Arbeitszeit mit persönlichem Austausch als im Tabellen-Universum verbringen. Doch bei allem Ärger vergessen wir schnell, wie viel Arbeit Excel uns abnimmt.
Also nochmal zurück zu unserer Frage: Was macht Excel so erfolgreich? Die folgenden vier Aspekte sind zentral:
- Excel ist flexibel. Eine Use Case spezialisierte Software kann zu Beginn nicht direkt alle Aufgaben und Bedürfnisse der Anwender kennen. Excel schafft den Spagat zwischen Usability und Flexibilität.
- Excel ist konstant. Damit beziehen wir uns auf die Software Architektur. Excel kann, was viele andere Produkte nicht können: mit jedem Feature, das hinzu kommt, besser werden.
- Excel ist vertraut und intuitiv. Auf der ganzen Welt gibt es eine Vielzahl leidenschaftlicher Excel User. Aber auch die meisten Laien kennen das Tabellen-Interface und nutzen es. Wer gleichzeitig gefordert und belohnt wird, findet Gefallen am Nutzen eines Produkts.
- Excel ist (rückwärts-)kompatibel. Menschen haben gewisse Gewohnheiten, wenn sie sich in neue Software eindenken. Das Wissen um diese Gewohnheiten hilft Produktdesignern, auch komplexe Ideen schneller und intuitiver anzugehen.
Excel oder Individualsoftware?
Excel wird für ein sehr breites Spektrum an Anwendungsfällen genutzt. Daher auch das Startup Sprichwort: “Every Excel is a SaaS (Software as a Service) opportunity”. Basierend darauf sind tausende von Firmen mit dedizierten Lösungen entstanden, z.B. Hubspot und Salesforce im CRM-Umfeld oder Buffer und Hootsuite im Kampagnen Tracking. Aus Anwendersicht stellt sich dann die Frage: Behalte ich Excel, wechsle ich auf eine SaaS-Lösung oder brauche ich eine individuell entwickelte Software?
Viel genutzte Excel Tabellen haben oftmals ein hohes Verbesserungspotenzial. Viele Prozesse sind aber auch mit Excel gewachsen. Manche sogar über Jahre und Jahrzehnte. Solche Prozesse lassen sich nicht innerhalb einer Standardsoftware abbilden, ohne dass der Prozess stark verändert werden muss.
“Warum sollten sich bewährte Prozesse an die Software anpassen? Die Software soll sich lieber an den Prozess anpassen!"
Wie eingangs erwähnt, deutet der hohe Grad an Excel-Nutzung in einem Prozess darauf hin, dass es dort das meiste Potenzial für eine Alternativlösung gibt. Denn für “ab-und-zu” Use Cases ist Excel unschlagbar, da das Setup schnell und die Flexibilität hoch ist. Als weiterer Aspekt ist zu bedenken: Wie unternehmensspezifisch ist der Prozess? Prozesse wie CRM oder Projektmanagement hat jedes Unternehmen und es gibt viele dedizierte SaaS Lösungen. Nur bei Themen, die sehr wichtig, spezifisch und komplex sind, ergibt eine individuelle Softwarelösung Sinn.
Makros, Datenquellen und Co. - Verbesserungspotenziale von Excel
Warum sollte man seine Excel-Tabellen überhaupt in Frage stellen? Von den Wurzeln ausgehend ist der größte Vorteil von Excel die Verschmelzung von Datenbank und Nutzer Interface.Gleichzeitig ist das auch der Aspekt, der viel Verbesserungspotenzial aufzeigt. Hier sind die häufigsten Potenziale:
1. Unübersichtlichkeit
Beschreibung: Teilweise gibt es pro Prozess dutzende Excel-Tabellen. Diese haben dann weitere dutzende Tabellenblätter mit Informationen und Hilfstabellen. Dies führt zu einigen Nachteilen:
- Viele Zusammenhänge sind nach einer gewissen Zeit nicht mehr nachvollziehbar, beispielsweise bei langen Verkettungen von S-Verweisen (oder Index/Matches).
- Die Einarbeitung in das Thema dauert stets länger als erwartet.
- Um trotzdem noch den Durchblick zu behalten, erstellt sich jeder Anwender eigene Pivot Tabellen, was zu Mehraufwänden führt.
Lösung: Die Übersichtlichkeit kann durch die Trennung von Logik und Benutzerinterface in einer individuellen Lösung gefördert werden. Die meisten Berechnungen und Verknüpfungen laufen im Backend. Die Anwender interagieren durch verschiedene, geteilte Ansichten mit der Anwendung.
2. Produktives Rechtemanagement
Beschreibung: Excel hat kein sehr granulares Rechtemanagement. Dadurch erleidet man Produktivitätsverluste. Denn oftmals muss erst eine andere Person mit mehr Zugriffsrechten um Hilfe gebeten werden. Gibt man Mitarbeitern mehr Zugriffsrechte als notwendig, nimmt man aber ein erhöhtes Sicherheitsrisiko in Kauf.
Lösung: Eine Individualentwicklung erlaubt es, Rechte sehr granular einzuräumen, beispielsweise auf Workflow-, Ansichts- und Zellenlevel. Auf den Prozess abgestimmte Dashboards und Dataviews erlauben die optimale Balance aus Produktivität und Sicherheit.
3. Wartbarkeit und Weiterentwicklung
Beschreibung: Viele Excel-Tabellen sind tickende Zeitbomben, was ihre Zuverlässigkeit und Funktionsweiterentwicklung angeht. Spätestens wenn die ersten Makros weiterentwickelt werden sollen, kommen Probleme an unterschiedlichsten Tabellen zum Vorschein. Die Makros sind wie eine Blackbox: für Außenstehende nicht nachvollziehbar und deren Effekte oft nicht vorhersehbar. Und was passiert wohl, wenn der selbsternannte Makro-Gott das Unternehmen verlässt?
Lösung: Jede wichtige Softwareanwendung sollte weiterentwickelbar sein. An den beschriebenen Problemen fällt auf, dass Excel im Kern ein Kalkulationsprogramm ist, und keine Datenbank mit Entwicklungsframework. Es fehlen klassische Entwicklungskonzepte. Version Control (Git), Dokumentation in Repositories und Testabdeckung helfen, die beschriebenen Probleme zu mitigieren. Die Weiterentwicklung wird dadurch vorhersehbarer und das Know-how dazu steckt nicht in einem einzigen Kopf.
Wie sieht eine Excel Ablösung aus?
Sollte tatsächlich Bedarf an einer individuellen Lösung bestehen - Wie sieht dann eine Ablösung von Excel aus?
Zunächst sollte man ein tiefes Verständnis für Nutzer, Prozesse und Datenflüsse sicherstellen. Nutzer Interviews und saubere Dokumentation festigen dieses Verständnis. Relevant sind außerdem alle Informationen zu: Web Interface, Logik, Datenbank und Benutzerverwaltung. Die neue Lösung muss eine deutliche Verbesserung dieser Aspekte aufzeigen. Dabei gibt es eine besondere Herausforderung: Ein “schwarz auf weiß”-Wechsel ist nicht empfehlenswert. Besser ist daher der iterative Wechsel von Excel zur Individualsoftware, im Sinne einer agilen Arbeitsweise. Der Prozess darf darunter nicht leiden.
Dementsprechend sollte die erste Version bereits Zuverlässigkeit, einen Mehrwert und Akzeptanz bieten:
- Zuverlässigkeit: Der Prozess soll weiterhin gut funktionieren. Auch wenn noch nicht alle Funktionen da sind. Wie geht das? Ironischerweise: mit Excel. An bestimmten Stellen bietet man Excel-Importe und -Exporte an, mit denen die Leute weiterarbeiten können. Aber keine Sorge, das sorgt nicht für mehr Chaos. Man muss nur die richtigen Stellen wählen, z.B. wenn rohe Daten für eine weiterführende Modellierung gebraucht werden oder die Kunden einen bestimmten Ausschnitt anfordern. Wichtig ist auch einzuplanen, dass das “copy + paste” mit Excel möglich bleibt.
- Mehrwert: Die erste Version sollte bereits einige Verbesserungspotentiale aus dem letzten Abschnitt adressieren, um direkt einen Mehrwert zu bieten.
- Akzeptanz: Dazu werden die Features mit dem besten Aufwand-Nutzen-Verhältnis identifiziert und frühzeitig eingeführt. Diese bringen möglichst vielen Nutzergruppen einen Mehrwert. Der Programmieraufwand ist klein, der Wow-Effekt groß. Gleichzeitig sollte man mit User Stories arbeiten, um alle Nutzergruppen gleichermaßen vom neuen Tool zu überzeugen.